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Bewegtes Klassenzimmer („Tübinger Modell“)

Sirius hat im Jahr 2008 für die Beschaffung eines Klassensatzes von Klapptischen für die Klasse 3a die Mittel bereitgestellt. Mit dieser Beschaffung wurde die Erweiterung des sog. „Tübinger Modells“ auf die 3. Klassenstufe ermöglicht.

Hintergründe

Seit 2002 gibt es an unserer Schule das sog. „Tübinger Modell“. Es geht zurück auf Pär Ahlbom, einen schwedischen Waldorflehrer, der die üblichen Schulmöbel aus dem Klassenzimmer der 1.Klasse verbannte, um durch Bänkchen und Kissen u. a. mehr Raum und mehr Bewegungsmöglichkeiten für die Kinder zu schaffen. In der Rudolf-Steiner-Schule in Bochum wurde dieser Impuls aufgegriffen und unter dem Namen „Schule 2000“ intensiv bearbeitet und weiterentwickelt. Die Lehrer dort machten sich ein genaues Bild von der Situation der Kinder unserer Zeit und suchten nach den entsprechenden pädagogischen Antworten. Sie entwickelten ein Konzept, das im Wesentlichen auf 5 Säulen beruht. In Deutschland setzte sich dieses dann unter dem Name „Bochumer Modell“ in immer mehr Waldorfschulen durch. Das „Tübinger Modell“ ist die Adaption dieses Konzeptes an die Verhältnisse in unserer Schule.

Die Möblierung ist nur das augenfälligste Merkmal, eigentlich nur ein „Vehikel“ um das dahinter stehende pädagogische Konzept umzusetzen; sie wird oft mit dem Modell gleichgesetzt. Genauso wichtig ist dabei ein durchrhythmisierter Stundenplan und die Anwesenheit des Klassenlehrers während des gesamten Vormittags.

Die 5 Säulen des Konzepts:

  1. Möglichkeit der Sinnesschulung: besonders die der sog. vier Basalsinne (Steiner spricht in seiner Sinneslehre von den 12 Sinnen): Tastsinn, Lebenssinn, Eigenbewegungssinn und Gleichgewichtssinn. Bänkchen können auch zum Klettern, Rutschen, Balancieren, Durchkriechen etc („Ameisenstrasse“) benutzt werden. (Hintergrund: mangelnde Ausreifung der Basalsinne durch Einmischung der Erwachsenen in die natürliche Bewegungsentwicklung der Kinder kann das Lernen erschweren)
  2. Möglichkeit, Bewegung zuzulassen: Schulanfänger haben ein großes Bewegungsbedürfnis, vor allem die Jungs! Es gibt Raum für Bewegung, weil die Möbel schnell weggeräumt sind. Spiel, Reigen und Tanz sind gut im Unterricht durchführbar, durch das Umbauen der Bänkchen werden die Kräfte sinnvoll eingesetzt. Das Holen der Arbeitsmaterialien und Kissen sorgt ebenfalls für Bewegung. Innere Beweglichkeit entsteht bei Schülern und Lehrer, weil immer wieder eine neue phantasievolle Idee entsteht, was man mit dem Raum oder den Möbeln in Bezug auf das Einführen von neuem Stoff oder das Üben machen kann. (Hintergrund: Kinder bewegen sich zu wenig)
  3. Pflege der Beziehungsebene: Wechselnde Sozialformen im Unterricht sind unkompliziert durchführbar; die Kinder können sich auch in kleineren Gruppen oder im Kreis wahrnehmen, der Lehrer ist dabei hin und wieder auf Augenhöhe mit ihnen. Die Klasse wird nicht geteilt, der Lehrer ist Begleiter und feste Bezugsperson während des gesamten Vormittags, im Fachunterricht übernimmt er die Rolle des Klassenhelfers. (Hintergrund: die heutigen Familienverhältnisse!).
  4. Pflege von Rhythmen: Ein fester Tages-Rhythmus vermittelt den Kindern Geborgenheit und Sicherheit. Sprachunterricht wird in Epochen erteilt (Hintergrund: hektisches Leben mit vielen Terminen).
  5. Pflege der Lebensebene: Gemeinsame Mahlzeiten, Feste feiern, Rituale pflegen, wie z.B. den Morgenkreis und den Abschlusskreis am Ende des Unterrichtstages. Gespräche führen, das Klassenzimmer als Lebensraum gestalten und möglichst allen Unterricht für die Klasse dort erteilen. Gemeinsames Pflegen des Raumes (Hintergrund: die heutigen Familienstrukturen).

Vieles von dem genannten ist nicht neu und gehört zu den Grundanliegen der Waldorfschule und doch ist es noch einmal bewusst und  neu gegriffen worden. Ebenso ist manches in Klassenräumen mit herkömmlicher Möblierung ebenso durchführbar, doch meist wesentlich aufwändiger und komplizierter. Oder man muss zusätzlich in andere Räume ausweichen und Kompromisse eingehen.

Weiterentwicklung des „Tübinger Modells“

In Tübingen haben wir die neue Möblierung in den Klassen 1 und 2 seit 2002. Die Klassenlehrer begleiten diese Klassen seit dieser Zeit durch den ganzen Vormittag. Viele Klassenlehrer erlebten den Übergang in die 3. Klasse aber als radikalen Bruch. Die Kinder saßen auf einmal in Reihen und schauten einander auf den Rücken. Gespräche, die man bisher im Kreis wunderbar mit den Kindern geübt hatte, waren nur noch schwer möglich. Versuche die Tische immer wieder einmal wegzuräumen, um Platz zu schaffen, wurden wegen des Aufwandes nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Das Wegfallen der dauernden Begleitung durch den Klassenlehrer war zwar in Ordnung, der Tagesabschluss wurde jedoch ebenfalls vermisst. Deshalb wurde nach einer Weiterentwicklung des Tübinger Modells gesucht. Von der Entwicklung der Kinder her, gehört die 3. Klasse nämlich eigentlich „noch dazu“, denn der neue Entwicklungsschritt, den die Kinder im zehnten Lebensjahr vollziehen („Rubikon“) ist oft für die gesamte Klasse erst nach der 3. Klasse abgeschlossen.

Durch eine andere, ebenfalls bewegliche Möblierung der 3. Klasse mit Bänkchen, Klapptischen und Regalen, kann einerseits vieles, was bisher angelegt wurde weitergeführt werden: Gespräche und Unterrichtsteile im Kreis und ohne Tische sind beispielsweise im Sprach- und Musikunterricht möglich, andererseits stehen aber bei Bedarf als Übergang nun Klapptische zur Verfügung, denn in den Sachkundeepochen wird viel auch im Heft gearbeitet, der Füller wird eingeführt und es ist an der Zeit, dass die Kinder nun nicht mehr so viel am Boden sind. Bei beweglichen Möbeln brauchen die Kinder allerdings einen Regalplatz für den Ranzen, Fächer für Arbeitsmaterialien und Schuhe.

Sirius hat die Beschaffung eines Klassensatzes von Klapptischen finanziert, im folgenden Schuljahr wurden von der Schule auch für die andere 3. Klasse Klapptische angeschafft. Das heisst, dass ein pädagogischer Impuls, der für die Schüler in der heutigen Zeit eine passende Antwort bietet, durch die Spende von Sirius verwirklicht werden konnte.

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